Auf der Suche nach Respekt
Ein Rückgriff auf das Ende des dritten Eintrags ist vonnöten. In diesem geht es darum, dass sich sowohl der Besucher eines fremden Landes, als auch der Einheimische sich an gewisse, mit seiner eigenen Moralvorstellung übereinstimmende Normen, halten sollte, um der anderen Partei Respekt entgegenzubringen. Hier eröffnet sich, wenn man sich darauf einlässt, ein zwar weites, und noch dazu sehr interessantes und nobles Themengebiet: der R-E-S-P-E-K-T. Dieser Begriff klingt jetzt erstmal sehr generell und ist sicherlich vielen Sachverhalten und Vorgängen inhärent. Deshalb habe ich vor, mich dem Thema des Respekts auf eine differentierte Art und Weise zu nähern, und es von verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten, um es am Ende als unverzichtbaren Bestandteil eines jeden Lebens aufzeigen. Respekt ist gewissermaßen sowohl in Momenten, in denen man als Akteur agiert, als auch in Momenten, in denen man Patient ist eine unerlässliche Voraussetzung für ein so autonom wie möglich und in Würde geführtes Leben.
Im etymologischen Wörterbuch findet man als Suchender unter dem Eintrag „Respekt“ folgende Worte: „ sm std. (17. Jd.). Entlehnt aus franz. respect, dieses aus l. respectus „Rücksicht, Zurückblicken“, dem Abstraktum von l. respicere (respectum) „Rücksicht nehmen, sich nach etwas umsehen, zurrücksehen“ , zu l. specere „sehen“ [...]“ 1
Dieses ehren- und wertvolle Wort wurzelt also im Lateinischen und bezieht sich auf die tugendvolle „Rücksichtnahme“ . Man nimmt auf jemanden/etwas Rücksicht. In zwischenmenschlichen Beziehungen wird, um sich dem anderen gegenüber respektvoll zu verhalten, egoistisches und verletzendes Verhalten ausgeschlossen. Wenn jemand respektvoll handelt, verletzt er weder psychisch noch physisch die Würde, die Moralvorstellungen, die Pläne, Wünsche, Bedürfnisse eines Menschen, noch die Person als solche. Der Begriff des Respekts setzt außerdem ein tolerantes Verhalten gegenüber dem jeweiligen Interaktionspartner voraus. Zu diesem kann die zwischenmenschliche Verbindung unterschiedlichster Natur sein. Der Interaktionspartner kann eine beliebige Person, mit der man in Kontakt tritt, eine Personengruppe oder eine sehr vertraue Person aus Freundes- oder Familienkreis sein.
Der Diplompsychloge Hardwig Hansen sagt in einem Interview mit Susie Reinhardt für die Zeitschrift „Psychologie Heute“ vom September 2008, dass Respekt in gewisser Weise eine Art ist, verlässlich und aufrichtig auf Handlungen von Mitmenschen zu antworten. Man reagiert, indem man dem Gegenüber durch eine verbindliche Antwort signalisiert, dass man seine jeweilige Handlung zur Kenntnis genommen hat. Man agiert daraufhin unter Rücksichtnahme, und signalisiert damit, dass man für ihn und seine jeweilige Situation mitgedacht hat. Als Beispiel nennt Hansen hier das Einparken. Indem ich abbremse, wenn ich sehe, dass jemand vor mir in die Parklücke einparken möchte, denke ich für den anderen mit. Weil ich etwas in die Beziehung zwischen mit und dem Einparkenden investiert habe, erwarte ich, dass er auf meine Handlung reagiert, und mir durch eine dankende Rückmeldung antwortet. Somit respektiere ich ihn, da ich mitgedacht habe, und er mich, da er mein Handeln schätzt. Hansen sieht außerdem eine enge Verknüpfung zwischen dem Begriff der „Verantwortung“, und dem Respekt. „Verantwortung“ bedeutet für Hansen hier unter anderem, dass man bereit dazu ist, dem anderen zu antworten, verbunden mit der Erwartung, dass der andere auch eine Rückmeldung gibt. 2 Es herrscht ein sich gegenseitig Respekt entgegenbringendes Verhältnis, indem der eine Partner vom anderen Verantwortung übertragen bekommt, auf dessen Wahrung er eine ehrliche und positive Antwort erwartet und bekommt. Andererseits könnte der Zusammenhang von Verantwortung und Respekt auch bedeuten, dass die zwei Interaktionspartner sich gegenseitig Verantwortung entgegenbringen, die sie dann beide mit freundschaftlicher Rücksichtnahme und beschützendem Ehrgeiz füllen. In beiden Fällen wird auf eine respektvolle Antwort dankend und wertschätzend geantwortet. So wird der Respekt neben der Verantwortung zu einer unentbehrlichen Komponente funktionierender und positiver zwischenmenschlicher Beziehungen und generell essentiell für das Zusammenleben.
1 Friedrich Kluge, Etymlogisches Wörterbuch, Berlin/Boston, 2011, S. 762.
2 Psychologie Heute, September 2008, S. 27-29.