Der Friedenshüter- Akteur oder Patient?
Der Generalsekretär Kofi Annan erarbeitete zum Beispiel erst 2003, als Antwort auf die Vorwürfe gegenüber 76 Peacekeepern aus 40 Organisationen, die 2002 Flüchtlingskinder in Westafrika missbraucht haben, ein Regelwerk, an das sie die Peacekeeper hinsichtlich ihres sexuellen Benehmens zu halten hatten. 1 Diese amtliche Bekanntmachung mit dem Namen „Special measures for protection from sexualexploitation and sexual abuse“ untersagt den Blauhelmen seitdem, sexuelle Ausbeutung und Missbrauch, sexuelle Aktivitäten mit Kindern unter 18 Jahren, den Tausch von Geld, Gütern oder Dienstleistungen gegen Sex und sexuelle Beziehungen zwischen dem UNO Personal und den Einheimischen, die auf ungleichen Machtverhältnissen basiert und somit der Glaubwürdigkeit der UNO schaden. Außerdem wurde die Meldung von Verstoßen obligatorisch. 2 Diese, meiner Meinung nach viel zu späte Einführung dieser Regeln, könnte ein Beispiel dafür sein, dass Blauhelme ihre Verpflichtungen und Verantwortung auch in anderen Bereichen nicht besonders ernst nehmen. So stellen sie wahrscheinlich eine inhomogene, bunte, aus allen Kontinenten zusammengewürfelte Personengruppen dar, die ein vages und uneindeutiges Ziel- die Friedenssicherung- vor Augen hat. Sie werden, durch lose Fäden mit der UNO verbunden, und dadurch zu deren Marionetten. Jedoch sind diese Marionetten nur schwerlich zu kontrollieren, da jeder Peacekeeper dem Rechtssystem seines Heimatlandes unterliegt, und die UNO keine disziplinierte Autorität besitzt. Für die UNO ist es demnach sehr schwierig, die einzelnen Friedenswächter zu beherrschen und individuell zu leiten.3 Viele Blauhelme, die Straftaten begehen, kommen also ungestraft davon, auch deshalb, weil die UNO des Öfteren Dokumente aus Prestige-Gründen nicht an die Truppen stellenden Länder herausgeben will. 4
Vor dem 2003 eingeführten Regelwerk bewegten sich die Peacekeeper wahrscheinlich noch etwas ungestümer und orientierungsloser in ihren Momenten der Freizeit und Langeweile. Der hoffnungsvolle Optimist würde nun davon ausgehen, dass ihr Verhalten, auf die sexuelle Komponente bezogen, durch die neu eingeführten Regeln jedoch vorbildlicher wird. Mit diesem Regelwerk bindet die UNO ihre Friedenswächter fester an sich, gibt klarere Regeln vor, macht sie zu ihren Patienten. Auf der anderen Seite nehmen die Blauhelme dann aber wieder die Rolle der Akteuere ein, eben dadurch, dass sie im Endeffekt den Ruf der UNO auf positive oder negative Weise direkt vor Ort, direkt bei den eigentlichen Patienten der UNO Friedensmissionen- den Einheimischen, und dann auch indirekt bei den Medien, die auf die positiven sowie negativen Entwicklungen aufmerksam werden, beeinflussen und dafür verantwortlich sind. Es ist klar, dass die Tatsache, dass die Peacekeeper von der UNO behandelt werden, sie keinesfalls aus ihrer, für Gewalttaten Verantwortung übernehmende Rolle des Akteurs, enthebt. Und gerade dadurch, dass sie eigenständige, denkende Individuen sind, finden sich die Blauhelme in der Rolle des Akteurs wieder. Ob sie nun Akteure oder Patienten sind ( sie sind wahrscheinlich sowieso beides, ganz von der jeweiligen Situation abhängig), sollten sie ihrem Gegenüber Respekt entgegenbringen. Erst der Respekt, der zwischen beiden Parteien- Behandelnder und Behandelnder- herrscht, schafft eine ausgewogene Balance, in der keiner der beiden Fraktionen die hierarchische Überhand gewinnt.
Um die Problematik des sexuellen Missbrauchs von Seiten der Peacekeeper in den Griff zu bekommen, setzt sich die UNO übrigens dafür ein, mehr Frauen in allen (niedrigere sowie höhere) Positionen einzuführen. Dieses Vorhaben wird „gender mainstreaming“ genannt. Daraus soll eine Verhaltensänderung der Peacekeepern resultieren, vor allem dadurch, dass Frauen das Arbeitsklima vor Ort verändern sollen, indem sie durch feminine Einflüsse die vorherrschende hypermaskuline Kultur relativieren. Außerdem ist seit 2005 ein Training für alle angehenden Friedenshüter verpflichtend, das zum Ziel hat, sexuelle Ausbeutung langfristig zu vermeiden. Darüber hinaus versucht die UNO das Bewusstsein mit Posterkampagnen, Broschüren und Newsletter für diese Problematik zu schärfen. 5
1 vgl. Carol Allais, Sexual exploitation and abuse by UN peacekeepers: The psychological context of behaviour change, Department of Sociology, University of South Africa.
2 vgl. UN Sectretary General's bulletin. Special measures for protection from secual exploitation and abuse (ST/SGB/2003/13), 22.05.2003.
3 vgl. UN General Assembly, A comprehensive strategy to eliminate future secual exploitation and abusein United Nations peacekeeping operations (A/59/710), 24.03.2005, S. 7.
4 vgl. UN General Assembly, Report of the Sectretary General on the activities of the Office of Internal Oversight Services into allegations of sexual exploitation and abuse in the United Nations organization mission in the Democtratic Republic of the Congo ( A/59/661), 5. 01.2005.
5 vgl. http://cdu.unlb.org/UNStrategy/Prevention.aspx , zuletzt aufgerufen am 03.02.2013.