Montag, 31. Dezember 2012

Im Tropenfieber

Fabian, der an der Universität Amsterdam Kulturanthropologie lehrt, bezieht sich in seinem Werk auf Reiseberichte über Expeditionen zwischen 1874 bis 1887, die als historische Vorläufer der Ethnographie gelten können. Diese Reiseberichte sollten Fachleute beeindrucken und den durchschnittlichen Leser mitreißen, indem sie den Anschein eines großen Abenteuers vermittelten. Jedoch befanden sich die Forschungsreisenden keinesfalls in einem Zustand, der von einem rational denkendem Wissenschaftler erwartet wird. Sie verfügten nämlich mit Nichten über eine selbstbeherrschte Rationalität, da diese durch ihre Affekte wie Zorn und Verachtung, tropische Krankheiten, unter denen sie permanent litten, Drogenkonsum wie der Konsum von Alkohol, Opium, Chinin und Arsenik, in großem Maße verklärt wurde. 1 Vorwiegend dank des Alkohols, blieb die ethnographisches Wissen produzierende Begegnung zwischen Europäern und Afrikanern, nicht nur eine physische. Der Alkoholkonsum beider Parteien förderte die Überschreitung kultureller Grenzen erheblich. 2 Von dieser Tatsache wurde natürlich nur unterschwellig berichtet, jedoch waren die Reiseberichte gespickt mit utopischen und abenteuerlichen Begebenheiten, die den „Mythos des unerschrockenen Reisens“ stützten . 3

Die herablassende Grundeinstellung der Forscher gegenüber den Einheimischen ist nicht zu übersehen, obwohl deren Reiseberichte meist ausgeschmückt wurden. Die Autoren hatten alle gemeinsam, dass sie eine Differenz zwischen ihnen und den Einheimischen annahmen. Diese war deshalb rassistisch, weil sie die Verbindung zwischen äußerlichen Merkmalen mit moralischen und intellektuellen voraussetzte. Die Hautfarbe und bestimmte Gesichtszüge der Einheimischen waren, für die Forscher, ein Zeichen für Minderwertigkeit. 4 Trotz dem zeitlichen Kontext von „Rasse“, hätte der persönliche Anstand und die eigenen Moralvorstellungen die Forscher davon abhalten können, den Einheimischen eine rassistische Verachtung entgegenzubringen. Bei dieser Annahme geht Fabian von seinen Quellen aus, die unter Anderem Schriften eines Emil Torday beinhaltet, der durch seinen kulturellen, und moralischen Hintergrund keinerlei verachtende Worte für die Afrikaner übrig hat. Er hätte den anderen als positives Beispiel fungieren können. 5

Um annehmbare Forschungsergebnisse zu erzielen, standen die Forscher standen unter der Prämisse die Kontrolle über sich selbst zu wahren. Diese Selbstkontrolle beinhaltete unter Anderem auch ihre sexuelle Energien. So werteten die Reisenden afrikanischen Frauen herab, um ihrem sexuellen Verlangen entgegenzuwirken. Sie beschrieben die einheimischen Frauen in ihren Berichten mit den herablassendsten, abgeneigtesten Tönen: „Nun gibt es für mich nichts Abscheulicheres auf der Welt, als ein Tanz von fast nackten Wilden ist. […] Hier wird nichts durch Tricots und glänzende Kleider verhüllt, sondern alles spricht von einem Zustande, der sich wenig über das Thierische erhebt, Ohne meine Empfindungen zu bemerken umringten mich jene schwarzen Damen und begannen ihre scheußlichen Bacchanalien.“ 6 Die afrikanischen Frauen wurden als „schmutzige Wilden und knochigen Frauen mit Hängebrüsten“ bezeichnet. 7

Die Forschungsreisenden kompensierten jedoch bisweilen ihre überlegene, die Afrikaner abwertende Einstellung durch Bewunderung. Obwohl diese eine konträr zur erforderten Selbstkontrolle steht, kehrten sie rassistische Klischees um, und bewunderten sogar die schwarzen, nackten Körper. So eröffnete sich ein Spektrum von einer ästhetischen Auffassung, die ein gewisses Maß an Identifizierung mit den Afrikanern impliziert. 8 Der Rassismus konnte also bisweilen durch die exotische Schönheit der einheimischen durchbrochen werden, und die Überwältigung von Ästhetik stellt, wenigstens für einen Augenblick, die rassistischen, unvernünftigen und irrationalen Gewissheiten, so Fabian, in Frage.9

Die Forscher beobachteten die Einheimischen mit ihrem überlegenen Blick. Sobald diese die Forscher jedoch neugierig ins Visier nahmen, empfanden sie die ständige Präsenz der Afrikaner als Bedrohung für ihre Privatsphäre. Es klingt absurd, denn die Forscher waren ja tatsächlich die Forschenden und Betrachtenden. Aber die Reisenden fühlten sich tatsächlich immer wieder belästigt und gingen folglich, so Fabian, von einem Mangel an Sinn für Privatsphäre auf Seiten der Einheimischen aus. So war es für die Forscher leicht, sich des Nachdenkens über die eigene penetrante Präsenz vor Ort zu entledigen. 10 Sie waren nicht länger gezwungen reflektiert über ihr eigenes Handeln nachzudenken. Sie waren die Beobachtenden, die es nicht verkrafteten ihre neugierigen Blicke von anderen erwidert auf sich selbst zu spüren.

Für die Forscher war es natürlich nicht einfach, sich angemessen, und ohne Schwierigkeiten mit den Einheimischen zu verständigen. Dies lag vor allem an der semantischen Unkenntnis ihrerseits. Zwar waren einige Reisender sehr daran interessiert, neue Wörter und Redewendungen zu lernen, zum Beispiel, indem sie einem Einheimischen für jedes neu erlernte Wort eine Perle schenkten 11, jedoch gab es einige Fälle, in denen die Reisenden ihre kommunikative Inkompetenz mit Wutausbrüchen kompensierten. Sie beschimpften ihr einheimisches Gegenüber mit rassistischen Bemerkungen. 12


1 Fabian, Johannes, Im Tropenfieber, 2001, S. 17 ff.
2 ebd. S. 100.
3 ebd. S. 125.
4 ebd. S. 287.
5 ebd. S 2. 287.
6 ebd. S. 114.
7 ebd. S. 315.
8 ebd. S. 315.
9 ebd. S. 316.
10 ebd. S.250 f.
11 ebd. S.269.
12ebd. S. 270.

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