Vielfältige Risiken
Wir alle erfahren von Unfällen, negativen Vorkommnissen und anderer unglücklicher Zufälle in unserem Bekanntenkreis und erfahren diese Dinge auch am eigenen Leibe. Unsere Welt ist für uns unsicher und uns wiederfahrende Dinge sind unkalkulierbar geworden. Wie Stefan Klein in seinem Werk „Alles Zufall“ bemerkt, waren die Menschen schon immer Risiken ausgesetzt, wobei die Feinde in der Vergangenheit meist bekannt waren. So zum Beispiel diverse Krankheiten, Regungen der Umwelt wie Fluten oder Lawinen. Die Menschen konnten ahnen, was sie befürchten konnten, denn Welt in der sie lebten war viel begrenzter als heute. Somit auch ihre individuelle Art der Lebensgestaltung. Durch die Globalisierung, die technischen Neuerungen und die Vernetzungen, die instantane Kommunikation zwischen Menschen auf allen Teilen der Erde möglich machen, ist man als Individuum viel komplexeren, vielfältigeren Risiken ausgesetzt.1 So glauben zwei Drittel aller Westeuropäer, die nächste Generation werde in einer weniger sicheren Welt leben als heute. 2
Auch Experten sind mit Prognosen für die nähere Zukunft überfordert. Sämtliche Entwicklungen (wirtschaftliche, globale...) können kaum im Vorfeld erahnt werden, sie sind dank all der Verflechtung von Unternehmen und Staaten, der Flut der neusten Meldungen der Mediengesellschaften und des Fortschritts der Technik unüberschaubar. 3
Diese nicht zu erahnende Zukunft liefert, meiner Meinung nach jedoch nicht nur Grund zur Sorge. Sie eröffnet auch Chancen, die man freudig erwarten, und dann ergreifen kann.
Wir leben in Deutschland. Ein europäisches Land, dem es im Vergleich zu anderen (sogar anderen europäischen) Ländern gut geht. Auch wenn wir uns über diesen Beschluss, jene Gehaltskürzung, oder diverse bürokratische Hürden aufregen, haben wir es gut. Uns fehlt es weder an Wasser, noch an Essen, noch an Demokratie, noch an Meinungsfreiheit. Wir haben keinen Grund uns in der nahen Zukunft vor diversen verheerenden Umweltkatastrophen zu fürchten, dank der günstigen Lage unserer Erdplatten auf dem Globus. Ich denke, rein methaphorisch, dass wir in einer art gepuffertem Kokon aus Styropor wohnen, in dem uns der Gedanke an die Zukunft, so ungewiss sie sein mag, nicht beunruhigen sollte. Oft huldige ich den Zufall, der es fertig gebracht hat, mich hier auf die Welt zu bringen, und nicht anderswo. Vor allem, während ich auf Reisen in exotischeren, gänzlich anders beschaffenen Ländern bin, lobpreise ich den Luxus meines Geburtsortes und permanenten Wohnortes. Manchmal jedoch, beschleicht mich ein Gefühl von Scham. Ein Schatten, der mein stolzes, beflügelndes Hochgefühl trübt. Ich schaue mich um, zum Beispiel in Istanbul, mit meiner Freundin Arm in Arm stehend, lachend und unsere Sonnenbrillen zurechtrückend. Wir befinden uns in einem Viertel, aus dem die Armut uns nur so entgegenspringt...
1 vgl.Stefan Klein, Alles Zufall, Hamburg, 2004, S. 28.
2 vgl. Die reichsten sind am unsichersten, Süddeutsche Zeitung, 8. Januar 2004.
3 vgl. Stefan Klein, Alles Zufall, Hamburg, 2004, S. 28.