Mittwoch, 7. November 2012

Schicksal und Zufall

Klar bestimme ich selbst über die Gestaltung meines Lebens! Ich treffe täglich Entscheidungen: Gehe ich zum Sport?; sehe ich meine Freunde heute?; bewerbe ich mich für ein Praktikum?; wo?. Ständig muss ich abwägen, Prioritäten setzen, Interessen fördern, mich an sie klammern und nach meinem rationalen Verstand und meinem Bauchgefühl diesen oder jenen Weg einschlagen. Doch nimmt das, was in meiner Umwelt vor sich geht einen erheblichen Anteil daran. Wie oft ist uns auf Reisen jemand über den Weg gelaufen, mit dem wir nicht gerechnet habe? Wie oft hat man Möglichkeiten eröffnet bekommen, von denen man vorher nicht zu träumen gewagt hat?
Nun glaube ich persönlich nicht an das Schicksal, das von höheren Mächten wie dem Universum (siehe Paolo Coelhos „Der Alchimist“) vorgegeben und bewusst eingestreut wird. Das Schicksal ist was für an höhere, spirituelle Mächte glaubende Personen. Vielmehr denke ich, das ein gewisses Chaos, ein dem Universum inhärentes Chaos ständig Zufälle produziert, dessen Teil wir sind. Meine Fähigkeit zum selbstbestimmten Leben schrumpft also auf die Größe einer Rosine. Klar, ich muss Entscheidungen treffen, mich akut oder weniger akut für die eine oder andere Richtung an den Weggabelungen meines Lebens entscheiden. Doch die aktive, als Akteur handelnde Umwelt stellt mich permanent neuen Situationen gegenüber, auf die ich aktiv oder passiv zu reagieren habe.
Für mich ist der Zufall die untrennbare Komponente zur Selbstbestimmung. Zufall als Symbiont zur Entscheidung. Zufall als Gegenteil zum Ergebnis einer kausalen Handlungskette. Für manche mag es erschreckend klingen, nicht der alleinige Herr über das eigene Leben zu sein, für mich aber bedeutet es Erleichterung, Erquickung und Verantwortungsabgabe. Klar, man darf nicht alle Vorkommnisse dem Zufall zuschreiben, dabei würde man sich vom Zufall bevormunden lassen und sämtliche Eigenverantwortung abtreten.

Beim recherchieren nach weisen Texten über den Zufall und dem Anteil der Selbstbestimmung im Leben bin ich auf einen kurzen Artikel von Michel Friedmann in der Welt am Sonntag gestoßen. Hier ein kleiner Auszug:

“Wenn der Verstand nicht mehr verstehen kann, was um ihn herum passiert, wenn die Seele aufschreit, ist der Mensch oft hilflos. Die Buskatastrophe in der Schweiz, die über 20 Kinderleben kostete, macht uns wieder einmal bewusst, wie hilflos wir sind, wenn wir versuchen, das Unerklärbare schließlich doch erklärbar zu machen. Oft wird dann von Schicksal gesprochen. Das Wort wird als eine Art höhere Macht interpretiert. Der Schicksalsschlag ist von uns Menschen nicht beeinflussbar. Die Verantwortung wird Gott oder einer gottähnlichen Macht übertragen. Wer an Gott nicht glaubt, landet deswegen beim Zufall, wenn Katastrophen wahr werden. Der Zufall definiert sich dadurch, dass keine kausale Erklärung gegeben werden kann, wenn mehrere Ereignisse aufeinanderprallen und zu einem beliebigen Ergebnis führen.
Im Zufall steckt die Chaostheorie. Alles ist möglich jederzeit, ohne Sinn und Grund. Viele sprechen aber vom Zufall, weil sie noch nicht das Wissen haben, das eine gegebene Situation erklären würde. “1

Zufall ist also ein unentbehrlicher Teil unseres Alltags. Er ist unentbehrlich um nicht gezwungen zu sein manchmal seltsame, manchmal besonders schöne, manchmal grausame Vorkommnisse rational erklären zu müssen. Wir legitimieren die Existenz unerklärbarer Gegebenheiten.


Milan Kundera schreibt dem Zufall in seinem Buch “Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins” eine aphrodisierende, spannende, zum guten Leben fast notwendige Wirkung zu: “Nicht die Notwendigkeit, sondern der Zufall ist voller Zauber. Soll die Liebe unvergesslich sein, so müssen sich vom ersten Augenblick an Zufälle auf ihr niederlassen wie die Vögel auf den Schultern des Franz von Assisi.” 2

Weiterhin schreibt er Ereignissen, die durch Zufälle zustande kommen eine unglaubliche Bedeutung zu. Der Protagonist des Romans trifft auf eine Frau, zu der er eine unglaubliche Liebe entwickelt, und schreibt dieses Zusammentreffen sechs sehr unwahrscheinlichen Zufällen zu, ohne diese sie sich niemals getroffen hätten.3 Indem er im gesamten Roman immer wieder auf diese Zufälle zu sprechen kommt, versteht der Rezipient warum die Liebe zu dieser Frau für den doch sehr freiheitsliebenden Protagonisten so besonders ist. Je weniger wir uns selbst für ein bestimmtes Vorkommnis als aktiv entscheidender Akteur verantwortlich fühlen, desto mehr Bedeutung messen wir dem zufälligen Geschehnis bei. Das Universum hat es mit seinem Chaos umherwandelnder Atome gut mit uns gemeint.




1 Michel Friedmann,Welt am Sonntag, Ausg. 2012, S.13.
2 Milan Kundera, Die Unerträgliche Leichtigkeit des Seins, München, 1984, S.50.
3 vgl. ebd. S.49.

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